Alexej Moskaljow ist für schuldig befunden worden. Urteil in Abwesenheit: Zwei Jahre Straflager. Was ist passiert?
Der alleinerziehende Vater einer 13 jährigen Tochter ist 54 Jahre alt und Vogelzüchter. Seine Tochter Marscha hat ein Bild zu viel gemalt - in der Schule im Zeichenunterricht mit Buntstiften. Oben eine strahlende Sonne, unten grünes Gras. Darauf eine Mutter gekleidet in Farben der Ukraine mit ihrem Kind an der Hand, die sich Raketen entgegenstemmt, neben denen die russische Flagge steht. „Nein zum Krieg - Ruhm der Ukraine!“ steht auf dem Bild, das sie nicht mal fertig ausgemalt hat. Ein Kinderbild einer Sechstklässlerin eben, wie Sechstklässler eben malen. Einfach ein Sehnsuchtsbild, das dann die unbarmherzige Macht des Machtapparates auf den Plan gerufen. Mit nur schwer vorstellbarer Härte wurde gegen das Blatt Papier vorgegangen. Lehrerinnen und Schulleitung schalteten umgehend die Polizei ein.
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Jesus ist es ähnlich ergangen, wie der kleinen Familie aus dem Dorf in Russland, denke ich mir. Er war das Opfer eines Prozesses, bei dem der Ausgang zuerst festgelegt wurde. Ein Mann, der aufgetreten und aufgestanden war gegen Unrecht seiner Zeit und hat mit seinem Leben ein Bilder gezeichnet vom Menschen, wie er Gottes Bild entspricht. „Ein Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ von Versöhnung, Vergebung und Zuwendung. In Taten und Worten von einer neuen Welt einem Reich Gottes, einem Friedensreich. Und dafür erfährt er die brutale und schonungslose Macht der Mächtigen, die diese Bilder nicht gezeichnet wissen wollen.
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Heute ist immer Karfreitag, wo es Menschen so geht. Auch so, wie Moskaljov und seiner Tochter. Wo man ohnmächtig dem Leiden und Sterben entgegen sieht. Karfreitag ist es, wenn der 40 jährige Familienvater nach langem Leiden auf der Palliativstation stirbt, weil diese furchtbare Krankheit ihm am Weiterleben hindert. Wenn Demenz mir den liebsten Menschen entfernt, obwohl er doch da ist, aber eben anders jetzt. Karfreitag ist, wenn Frauen im Iran zusammengeschlagen werden, vergiftet werden, weil sie Frau sind, die Hoffnungbilder vom Freiheit und Gleichheit malen. Dann, wenn Menschen zu Opfern werden für ihre Hoffnung und Sehnsucht nach Frieden, Freiheit. Leben. Heute.
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Wir blicken von Ostern her auf den Karfreitag heute und das ist gut so. Jesus am Kreuz ist der Anfang. Der Erstgeborene von den Toten. Der Beweis, dass das Blutvergießen nicht siegen muss, sondern der Friede nach Gottes Ebenbild stärker ist. Er ist die ein für alle Mal in die Welt gezeichnete Hoffnung, dass es auch in unserem Leben so sein wird. Dass Karfreitag nicht das Ende ist. Auch heute nicht.
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Erst gestern war unerwartet ein Brief von Mascha an ihren Vater aufgetaucht. »Mir geht es gut«, schreibt das Mädchen in dem Brief, »ich habe dich sehr lieb und weiß, dass Du an nichts schuld bist. Ich glaube, dass alles gut werden wird und wir zusammen sein werden.«
Auszüge aus der Karfreitagspredigt von Pfarrer Stefan Fischer.